Weblogs - Medienkritik 2.0?

Inwiefern können Weblogs einen Beitrag zu einer öffentlichen Medienkritik leisten?

Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien“ (Luhmann 2009: 9). Den Massenmedien kommt damit eine wichtige Rolle bei der öffentlichen Meinungsbildung zu. Begriffe wie Agenda-Setting und Gatekeeping beschreiben das Phänomen, dass Medien die Themen und Ereignisse, von denen wir erfahren, aussuchen und auf die Agenda setzen. Was Medienmacher nicht veröffentlichen, wird die meisten Menschen niemals erreichen, geschweige denn interessieren. „Es mögen Fische sterben oder Menschen (…): solange darüber nicht kommuniziert wird, hat dies keine gesellschaftlichen Auswirkungen.“ (Luhmann 2008: 41). Daher ist es nicht unproblematisch, dass die meisten Medien gleichzeitig auch Unternehmen sind und damit nicht nur am Wohl der Gesellschaft, sondern auch an ökonomischen Zielen interessiert sind. Damit sind Medien einem Zielkonflikt ausgesetzt, nämlich der Vereinbarkeit von publizistischer und ökonomischer Rationalität (vgl. Hutter 2009: 11). Da an der demokratischen Grundhaltung der Medien berechtigterweise gezweifelt werden kann, müsste es eine Kontrolle der Medien durch den Staat geben. Da die Medien jedoch die vierte Gewalt eines demokratischen Staatsapparats darstellen, üben sie eine Kontrollfunktion über den Staat aus und sind maßgeblich dafür verantwortlich, wie wir als Staatsbürger unsere demokratischen Funktionen wahrnehmen (vgl. Hutter 2009: 11). Demnach kann es nicht der Staat selbst sein, der Kontrolle über die Medien ausübt. Es muss eine vom Staat unabhängig Kontrollinstanz gefunden werden.

Medienkritik als Kritik der Medien an sich selbst, tritt als fünfte Gewalt an die Stelle einer staatlichen Kontrollinstanz. Medienkritik kann dabei als eine spezielle Form von Medienjournalismus verstanden werden, ergo als Berichterstattung in Medien über Medien (vgl. ebd.: 32). Doch die Idee der medialen Selbstbeobachtung stößt aufgrund der bereits erwähnten doppelten Rationalität schnell an ihre Grenzen. Als zentrale Probleme des Medienjournalismus nennt Andres Hutter die folgenden Beispiele: Eigenwerbung und Konkurrenzschelte, das Problem der Institutionalisierung und das des journalistischen Rollenverständnisses sowie grundsätzliche Probleme der Selbstbeobachtung, wie beispielsweise der blinde Fleck (vgl. ebd.: 33).

Demnach vermag der Journalismus nur bedingt Medienkritik zu üben. Wer aber kann diese Rolle einnehmen?

Weblogs als sechste Macht? Welchen Beitrag können Weblogs zu einer öffentlichen Medienkritik leisten? Und wie verändern Weblogs die journalistische Arbeit?

"Es ist für den einzelnen Redakteur ebenso peinlich, vom Watchblog aufgespießt zu werden wie für die Redaktion. Da werden sich künftig viele mehr Mühe geben, wenn die Gefahr besteht, dass ein kritisches Publikum sich öffentlich über sie lustig macht." (Lorenz-Meyer zit. nach Mzarek 2006).

„Der Journalismus ist für die Gesellschaft viel zu wichtig, als dass man ihn den Journalisten allein überlassen dürfte“ (Wagner zit.nach Trümper 2008: 13) schreibt Hans Wagner in seinem Werk Journalismus mit beschränkter Haftung? Gesammelte Beiträge zur Journalismus- und Medienkritik. Wagners Feststellung gewinnt vor allem aus Perspektive des Internets eine ganz besondere Bedeutung, denn dort bleiben Journalisten – weniger als sonst wo – sich selbst überlassen. In Blogs, Foren und Twitter-Strängen wird das Mediengeschehen analysiert, kommentiert und vor allem kritisiert. Besonders in Form von Weblogs wird die Option genutzt, die „professionelle journalistische Berichterstattung zu beschreiben, zu beobachten, zu bewerten und mitunter auch zu korrigieren“ (Trümper 2008: 13). Kurzum, traditioneller Journalismus wird zur Diskussion gestellt. Durch den Einfluss von Weblogs konstituiert sich demnach eine neue Form der öffentlichen Medienkritik, dies wiederum wirkt sich auf den Journalismus aus, der die Kritik ernst nehmen muss, da er – wie eingangs festgestellt - den Ansprüchen und Erwartungen der Gesellschaft verpflichtet ist. Können Weblogs demnach die Rolle der unabhängigen Kontrollinstanz übernehmen? Können Weblogs als eine Art sechste Macht eines demokratischen Staatsapparats fungieren, indem sie öffentliche Medienkritik üben und dadurch die Lücken des traditionellen Journalismus füllen? Im Folgenden sollen kurz einige wenige Ansätze dargestellt werden.

Im Gegensatz zu den traditionellen Massenmedien ist bei Weblogs der ökonomische Druck vergleichsweise gering, bis gar nicht vorhanden. Sie unterliegen keinem Quotendruck und haben theoretisch allen Platz, den sie brauchen, um eine kontinuierliche Medienbeobachtung zu betreiben. Studien weißen darauf hin, dass die zunehmende Anzahl an Weblogs auf die Defizite in der Berichterstattung zurückzuführen sei (vgl. Hutter 2009: 37). Laut einer Befragung gibt knapp ein Viertel der untersuchten Blogger an, Journalismus und Medien als inhaltlichen Schwerpunkt zu haben (vgl. Hutter 2009: 38). Als besondere Form von medienkritischen Blogs gelten so genannte Watchblogs, welche sich mit einem einzelnen Medium beschäftigen und dieses kontinuierlich beobachten und kritisieren (vgl. ebd.:39). In Deutschland kennt man das Bildblog (www.bildblog.de), welches die BILD-Zeitung zum Objekt hat, als eines der bekanntesten Watchblogs. Gleichzeitig haben verschiedene Befragungen ergeben, dass die Medienjournalisten selbst, Medienkritik nicht als ihre Aufgabe betrachten (ebd.: 36). Zu groß sei die Hemmung, Kollegen zu kritisieren, meinen Donsbach, Beuthner und Weichert, die eine starke Kollegenorientierung unter Medienjournalisten konstatieren (vgl. ebd. zit nach Donsbach 1982 und Beuthner/Weichert 2005). Diesen Part übernehmen die Blogger. Laut einer Studie von Christoph Neuberger sehen sich nämlich die meisten Blogger explizit als Kritiker der Medien (vgl. Neuberger 2005). „Das Einnehmen einer klaren Haltung auf Kosten der objektiven Berichterstattung wird vielerorts als typisch für Weblogs erachtet. Damit dürfte auch die Kritikfähigkeit zunehmen“ (ebd. 2009: 37). Weblogs können also als publizistische Formen definiert werden, die im Internet die Funktion übernehmen, die Produkte des Journalismus zu beobachten, zu bewerten und öffentlich zu kritisieren (vgl. Trümper 2006: 71).

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